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Chemnitz, Nazi-Kanzlei und Pro-Chemnitz Treffpunkt

Chemnitz, Brauhausstraße 6

Adresse: Brauhausstraße 6, Chemnitz
Strukturen: Pro Chemnitz, Freie Sachsen
Nutzung: Anwaltskanzlei, Parteibüro und Treffpunkt

Martin Kohlmann, Rechtsanwalt und Vorsitzender der Partei „Pro Chemnitz/Freie Sachsen“ erwarb das Haus 2012 und zog zunächst mit seiner Anwaltskanzlei in das dritte Obergeschoss. Seitdem fungiert die Immobilie als Treffpunkt von Kohlmanns Partei, die darüber hinaus über Fraktionsräume im Chemnitzer Rathaus verfügt. „Pro Chemnitz“, seit 2021 „Pro Chemnitz/Freie Sachsen“, sitzt mit sechs Abgeordneten im Chemnitzer Stadtrat. Bis heute gleicht das Haus an vielen Stellen einem Rohbau.

Martin Kohlmann. Quelle: RechercheNetzwerk Berlin

Martin Kohlmann ist von Beginn an bemüht, das Haus mit weiteren Gruppen zu füllen. Zuerst versuchte er die von ihm als Alter Herr mitgegründete Schülerburschenschaft „PB! Theodor Körner zu Chemnitz“ mit eigenen Räumlichkeiten wiederzubeleben. Nachdem dies scheiterte, ging er eine Zusammenarbeit mit einem Netzwerk russischsprachiger Initiativen ein, die sich um den Deutschrussen Aleksandr Boyko versammelten. Boyko war zeitweilig Vorsitzender des Kulturvereins „Tolstoi e.V.“, der Räume in der Brauhausstraße bezogen hatte, inzwischen jedoch den Standort gewechselt hat. 2017 veranstaltete Kohlmanns Bundesbruder Felix Menzel für den „Tolstoi e.V.“ einen Workshop zu Pressearbeit. Menzel ist seit seiner Jugend eng mit Kohlmann verbunden, leitet das neurechte Magazin „Blaue Narzisse“ und trat 2020 als Pressereferent der sächsischen AfD-Landtagsfraktion auf. Boyko ist bis heute Chefredakteur des russischsprachigen Magazins „Berliner Telegraph“, als dessen Schriftführer Kohlmann anfangs gelistet wurde. Kohlmanns Kanzlei warb auch mit Anzeigen in dem Magazin, zwischenzeitlich war seine Frau Jamie Garrington als Sonderkorrespondentin im Impressum zu finden.

In der Brauhausstraße 6 hat auch eine GmbH ihren Sitz, deren Zweck bis heute unklar ist: Die Kunktun GmbH. Die heutige Vorsitzende ist Swetlana Mamadzanow, die zu Boykos Netzwerk gehört und 2017 im Management des „Berliner Telegraph“ arbeitete. Ihr Vorgänger war der Leipziger Burschenschafter Björn Degenkolbe, der bis 2019 in der Brauhausstraße auch Post für die WIG 2 GmbH, eine Leipziger Immobiliengesellschaft, empfing.

Als sich im August und September 2018 Martin Kohlmann und der „Pro Chemnitz“-Geschäftsführer Robert Andres, ehemaliges Mitglied der verbotenen Kameradschaft „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ (NSC) als Hauptorganisatoren der rassistischen Großaufmärsche hervortaten, fungierte die Brauhausstraße 6 als logistische Zentrale. Von hier aus zogen Gruppen zu den Demonstrationen, lokale Neonazis lagerten hier Flaggen, Generatoren und andere Demo-Infrastruktur. Die letzte der rassistischen „Pro Chemnitz“-Demonstrationen 2018 endete vor der Brauhausstraße mit einem gemeinsamen Weihnachtssingen. Und Robert Andres verkündete schließlich, ein „Begegnungszentrum für Patrioten“ in dem Gründerzeitbau errichten zu wollen. „Pro Chemnitz“ mobilisierte in den folgenden Monaten seine Anhänger:innenschaft und sanierte mit Unterstützung regionaler Handwerker:innen das Erdgeschoss. Im Februar 2019 sammelten sich während einer antifaschistischen Demonstration gegen den neuen rechten Treffpunkt etwa 30 Anhänger:innen von „Pro Chemnitz“ und lokale Neonazis vor dem Haus. Im Vorfeld der Stadtratswahlen 2019 wurde aus dem „Bürgerzentrum“ plötzlich ein „Parteibüro“. Der „Pro Chemnitz“-Kandidat Dieter Jörg List veranstaltete hier mehrere Lesungen, darunter zu seinem im Selbstverlag erschienenen Buch.

Martin Kohlmann soll auch im klassischen Kameradschaftsmilieu für seine Räume geworben haben. Ein Chemnitzer Staatsschutzbeamter gab bereits 2013 an, er habe den damals noch nicht verbotenen „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ Räume angeboten, nachdem diese sich von der Markersdorfer Straße 40 abgewandt hatten. Da sie im Haus nicht allein gewesen seien, hätten diese das Angebot aber ausgeschlagen. Nur kurzzeitig bestand 2018 ein „Jugendraum“ in der hinteren linken Ecke des Erdgeschosses, der rechten Teilen der Chemnitzer Fanszene als Treffpunkt diente.

Kohlmann und die Chemnitzer Neonazi-Szene, heute mit ihrem Verein „Sport und Bildung e.V.“ in der Frankenberger Straße 227 ansässig, pflegen weiterhin ein enges Verhältnis. Die Namensschilder von NS-Kadern an Briefkästen rechter Chemnitzer Immobilien wechseln je nach Lage: der Name des NSC-Anführer Eric Fröhlich wich vom Briefkasten an der Frankenberger Straße nach der Berichterstattung über das Haus. Seitdem sind die Namen Fröhlich/Andres am Briefkasten in der Brauhausstraße zu finden – Robert Andres und Eric Fröhlich sind Hauptorganisatoren der Zeitzeugenvorträge in Chemnitz und dem Erzgebirge, die unter dem Dach des „Sport und Bildung e.V.“ stattfinden. Die NS-Kader Michael Brück und Robert Andres hängen über Kanzlei und Partei finanziell an Kohlmanns Tropf und sind ständig in der Brauhausstraße präsent.

2020 stellte Martin Kohlmann den Neonazi Michael Brück als Auszubildenden an. Zuvor hatte er neonazistische Strukturarbeit im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld geleistet, war Anführer der später verbotenen Kameradschaft „Nationalen Widerstand Dortmund“ (NWDO) und baute danach die Nachfolgepartei „Die Rechte“ mit auf. Heute ist Brück stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei. Ab 2021 baute Kohlmann mit Hilfe von Brück die Partei „Freie Sachsen“ auf. Diese startete als Petition gegen die Corona-Maßnahmen, gewann über einen Telegram-Kanal an Reichweite und ließ sich schließlich im Februar beim Bundeswahlleiter als Partei eintragen. Vordergründig richtet diese sich gegen die Corona-Maßnahmen, ist aber tatsächlich eine Sammelgruppierung aus verschiedenen extrem rechten und neonazistischen Gruppen und Parteien: NPD, „Pro Chemnitz“, „Querdenken Plauen“, AfD-Abgeordnete und die „Wellenlängen“ aus dem Raum Dresden.