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Chemnitz, „PC-Records“-Laden und Nazi-Wohnprojekt

Chemnitz, Markersdorfer Str. 40

Adresse: Markersdorfer Str. 40, 09122 Chemnitz
Strukturen: NPD, JN, Kameradschaftsszene, PC Records
Nutzung: Veranstaltungen, Schulungen, Treffpunkt, Büro, Wohnungen, PC Records Ladengeschäft

Der Altbau im Chemnitzer Stadtteil Markersdorf wurde Ende 2010 vom Rechtsrockhändler Yves Rahmel erworben und innerhalb eines Jahres mit Hilfe von Kamerad:innen ausgebaut: eine Veranstaltungsfläche im Erdgeschoss und Wohnungen in den oberen Etagen. Regelmäßig wurde der Ort für neonazistische Veranstaltungen genutzt, insbesondere zwischen 2012 und 2014 sowie 2017 fanden Vorträge, Liederabende und politische Schulungen statt. Bereits bei der Eröffnung 2011 referierte der damalige parlamentarische Berater der NPD im Sächsischen Landtag, Dr. Olaf Rose. Weitere Referenten und Musiker waren über die Jahre u.a. Axel Möller (ex-Altermedia), Lunikoff, Act of Violence, Abdallah Melaouhi, Christian Worch und Udo Voigt.

Yves Rahmel (Bildmitte). Quelle: Pixelarchiv

Seit 2015 ist in dem Haus die Landesgeschäftsstelle des Landesverbands der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (JN) untergebracht. Aktuell befindet sich diese offiziell in der NPD-Zentrale in Riesa, allerdings gibt es weiterhin einen Briefkasten des JN-Landesverbands am Zaun.

2011 sollte der damalige NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel ein Bürgerbüro in der Immobilie beziehen. Realisiert wurde das jedoch nie. Stattdessen diente das Haus bis zu deren Verbot 2014 als Domizil der Kameradschaft „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ (NSC), die damals eng mit der lokalen NPD verbunden war. Die NSC kamen hier zweimal wöchentlich zu ihren verpflichtenden Treffen zusammen. Zuvor waren sie in einer Gewerbeeinheit der Firma LST Chemnitz untergebracht, die den Brüdern Hartmut und Karsten Pfau aus Hohenstein-Ernstthal gehört. Beide sitzen inzwischen für die AfD im dortigen Stadtrat und gerieten 2021 in die Schlagzeilen, als sie planten eine ehemalige Ausflugsgaststätte in Hohenstein-Ernstthal zu kaufen.

Dass sich die Chemnitzer Kameradschafter:innen nach einer anderen Immobilie umsahen und so die Nutzung der Frankenberger Straße 227 zustande kam, soll laut eines Chemnitzer Staatsschutzbeamter im Sächsischen NSU-Untersuchungsausschuss u.a. daran gelegen haben, dass Rahmel spätestens seit 2013 5€ pro Benutzung der Veranstaltungsfläche verlangt haben soll.

Als im Oktober 2015 in einer nahegelegenen Turnhalle Geflüchtete untergebracht werden sollten, blockierte ein rechter Mob die Einfahrt. Kurzfristig nahm die gegenüber liegende Bonhoeffer-Kirchengemeinde die Geflüchteten auf. Antirassistische Aktivist:innen organisierten eine Solidaritätskundgebung vor der Turnhalle. Am Abend attackierte eine Gruppe Neonazis, die mutmaßlich aus der Markersdorfer Straße 40 kam, die Aktivist:innen. In der Nacht warfen Unbekannte Steine in das Gemeindezentrum und verletzten mehrere der dort schlafenden Geflüchteten.

2021 bezog Yves Rahmel mit „PC Records“ die zuvor sanierten Räume im Erdgeschoss der Markersdorfer Straße 40, die lange als Veranstaltungsfläche gedient hatten. Die Sanierung ging mit weiteren Ausbauarbeiten am Haus einher, wobei die Außenflächen größtenteils neu gepflastert und mit zwei hintereinanderliegenden Zäunen versehen wurden, die den Zugang zum Laden und den Wohnflächen voneinander trennen.

Bis dahin teilten sich „PC Records“ und des Bekleidungsgeschäft „Backstreetnoise“ ein Gebäude auf der Dr.-Salvador-Allende-Str. 110. Ursprünglich als zum „Backstreetnoise“ gehöriges Musiklabel von Hendrik Lasch gegründet, übernahm 2004 Yves Rahmel und baute es zu einem eigenen Versand und Ladengeschäft aus. „Backstreetnoise“ scheint es 2021 nicht mehr zu geben. Lasch betreibt nur noch einen Abverkauf seiner Ware über Online-Portale, während das Ladengeschäft zumindest pandemiebedingt im Jahr 2021 geschlossen hatte.